Wir stehen früh auf, denn wir müssen die Koffer packen. Zuerst wird aber ein letztes Mal in Bali gefrühstückt.
Ich möchte nicht hier weg.
Ich liebe diese stetig lächelnden Menschen, dieses langsame, immergrüne Land und die gelassene asiatische Kultur.
Ich erinnere mich an das gestrige, überaus spannende Gespräch mit unseren beiden Zimmernachbarn. Wir sassen gemeinsam am Frühstückstisch und machten uns bekannt.
Es sind gebürtige Polen, die allerdings früh bemerkten, dass sie lieber etwas von der Welt sehen wollen. Es verschlug sie beruflich eine Zeit lang in die USA und nach England. Sie sind beide Architekten von Beruf und können problemlos online arbeiten. Als Naturliebhaber und Freunde der asiatischen Kultur entschieden sie sich schließlich für Indonesien. Hier leben sie seit über 5 Jahren, sprechen sehr gutes Indonesisch. Sie bereisten die verschiedenen Inseln und blieben in Java hängen, mieteten sich dort ein Haus. Sie haben Langzeit-Visa, aber auch diese laufen irgendwann ab und man muss kurzzeitig ausreisen und ein neues beantragen. Sie flogen auf die Philippinen, die sie sich bei dieser Gelegenheit einmal anschauen wollten und beantragten in Manila ein neues Visum. Das Prozedere dauert 14 Tage. Da sie nicht in der Großstadt bleiben wollten, liessen sie ihr Reisegepäck in der Unterkunft und fuhren, nur gerade mit dem Nötigsten ausgestattet, auf eine winzige Nachbarinsel. Dort mieteten sie sich eine kleine Bambushütte, die allerdings ein gutes W-lan Netz hatte. Darauf müssen sie immer achten, sagt sie, denn sie müssen Arbeit und Urlaub unter einen Hut bringen.
Doch dann kam Corona.
Alles veränderte sich. Sie durften nicht mehr von dieser winzigen Insel weg, auch nicht mehr zurück nach Manila, wo ihr Gepäck zwischengelagert war. Indonesien, wo ihr Haus steht, verweigerte ebenfalls die Einreise.
Sie lebten mit Nichts im Dschungel, es gab keinen Supermarkt, keine medizinische Versorgung. Die wenigen Menschen, die dort leben, tauschten ihre Lebensmittel. Der Fischer gab dem Bauern seinen Fisch für dessen Gemüse.
Der Vermieter ihrer Hütte lebt vom Verkauf von Krokodilfleisch, welches sehr teuer im Ausland gehandelt wird. Ein Export war nun nicht mehr möglich für ihn und er bekam somit das Fleisch nicht mehr verkauft, welches nur bedingt haltbar ist. Sie einigten sich darauf, nun täglich sein Krokodilfleisch zum Preis von Hühnchen abzunehmen. Für beide Parteien eine win-win-Situation.
Manchmal konnten sie auch Fisch und Obst kaufen. Dann wurden beide schwer krank. Dengue-Fieber.
Ein Krankenhaus gab es nicht und auch sonst keine Möglichkeit auf ärztliche Hilfe. Die Menschen dort halfen sich untereinander so gut es geht mit natürlichen Mitteln.
Dann bekamen sie auch noch Corona. Irgendwie überlebten die beiden es aber.
Sie durften zweieinhalb Jahre nicht weg von diesem kleinen Inselchen der Philippinen, welches eigentlich nur ein kurzer Trip werden sollte.
Es hat die beiden verändert. Sie lebten mit nur sehr wenig, gerade soviel, wie man zum Überleben braucht.
Sie sagt, wenn du nichts hast, kannst du auch nichts verlieren.
Du bekommst eine andere Sicht auf die Dinge. „Wir aßen täglich Krokodilfleisch in verschiedener Zubereitungsart, was für andere eine Delikatesse darstellt. Es ist übrigens sehr lecker und unbeschreiblich im Geschmack“ lacht sie.
Sie haben es überlebt, das ist das wichtigste. Und sie haben sich.
Die Nachrichten aus aller Welt konnten sie auch während der Pandemie täglich verfolgen. Sie wunderten sich, was die Leute doch für Probleme haben bzw zu Problemen machen, dass z.B. ein Mangel an Toilettenpapier die Menschen beunruhigt.
Sie sind nun in Bali, weil sie hier ein Haus gefunden haben. Sie erklärt, ihre Eltern sind schon alt und möchten sie gerne ab und zu besuchen. Sie sind besorgt, möchten sich im Notfall medizinisch versorgt wissen. Das ist in Java, wo sie leben, auch nur bedingt der Fall. Auch ist Java überwiegend muslemisch besiedelt, das ängstigt die Eltern, die auch den Kommunismus fürchten.
Dann beginnt er zu schwärmen, von der unvergleichlichen Natur Javas, von der Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere. Von der Herzlichkeit der Menschen, von ihrem Humor.
Ob sie noch mal aus Indonesien weg wollen? Niemals.
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